Als ich begann die Story aufzuschreiben, wusste ich noch nicht, wie sie ausgehen würde.
Mit dem anstehenden Umbau des Hauses kam die Idee einen Instagram Account als Bautagebuch zu führen. Zu normalen Foto-Updates planten wir beispielsweise ein wöchentliches oder monatliches Video zu veröffentlichen. Für diesen Zweck wollte ich mir, zu meiner DSLR, eine Zweitkamera zulegen.
Anforderungen sollten sein:
- einfache Videofunktion
- gute Lowlight Qualitäten
- guter Autofokus
- Selfie tauglich
- einfach zu bedienen, da die Kamera nicht nur von mir genutzt werden sollte
Da ich mich früher einmal in Vlogs versuchte, hatte ich noch die Canon PowerShot G7 X Mark II im Hinterkopf, die ich mir damals leisten wollte. Und so begann die Recherche. Nach kurzer Zeit war klar, dass ich die G7 X Mark II aufgrund des unzuverlässigen Autofokus nicht wählen werde. Auch die Lowlight Performance sagte mir nicht zu. Lowlight ist mir übrigens besonders wichtig, da auszugehen ist, dass wir auf einer Baustelle nicht immer perfekte Lichtbedingungen haben und oft abends arbeiten werden. Nach über zweiwöchiger Recherchearbeit entschied ich mich also für die Canon M50. Mit Kit-Objektiv und 4k Videoaufnahme, gerade einmal 50 Euro teurer als die G7 X Mark II.
The best and only option.
Ich bin jemand, der immer versucht für sein Geld das möglichst Beste zu bekommen. Dann reicht mir nicht unbedingt der Durchschnitt, etwas besser darf es schon sein. Ich gönne mir nicht oft etwas, wenn aber, dann versuche ich das bestmöglichste für mich herauszuschlagen. Das heißt – egal ob es eine Kamera, ein neuer Fernseher oder Gaming Monitor ist – es geht sehr viel Zeit für das Lesen von Tests, das Vergleichen, das Schauen von Videotests, Einholen von Meinungen und auf das Studieren von Datenblättern drauf, bis ich irgendwann das perfekte Produkt für mich und meine Ansprüche gefunden habe.
In der letzten Zeit habe ich jedoch versucht meine Ansprüche herunterzuschrauben. Mein erster HD Fernseher (gekauft vor 10 Jahren) hatte damals 2.500 EUR gekostet. Der Letzte TV, den wir dieses Jahr gekauft haben, kostete gerade einmal 850 Euro. Weil Technik nun mal schnell veraltet. Da hat man sich erst noch Wochen lang in ein Thema hineingelesen, kauft schließlich sein heiß begehrtes Produkt, um wenige Tage später festzustellen, dass es noch etwas viel besseres gegeben hätte. Doch wie gesagt, das war früher.
Dachte ich eigentlich.
Anfangs war ich von der Canon M50 recht begeistert. Alleine schon die handliche Größe im Vergleich zu meiner Canon DSLR 6D war traumhaft. Und dann konnte ich auch noch mit automatischem Fokus filmen, was die 6D nicht unterstützte. Vergangen sind die Tage, an denen ich die Schärfe von Hand am Objektiv ziehen musste. Es waren schöne 4 Wochen. Die Kamera begleitete mich auf meinen Urlaub und leistete auch dort tolle Dienste. Doch dann kam der Alltag.
Ich spielte mit dem Gedanken meine 6D Kleinbildkamera zu verkaufen und komplett auf die M50 umzusteigen. Privat fotografiere ich ohnehin nicht mehr so viel, da ich mich da beruflich gut ausleben kann. Also bestellte ich mir den Canon Bajonettadapter EF-EOS M um meine vorhandenen Objektive auf der M50 nutzen zu können.
Und dann kam er zum tragen: Der Cropfaktor
Was auf dem Papier verschmerzbar aussah, schmerzte in Wirklichkeit doch sehr dolle: Cropfaktor 1,6fach. Ganz kurzer Erklärungsversuch für unwissende: Kameras haben unterschiedlich große Sensoren. Grundsätzlich kann man sagen, je größer ein Sensor, desto mehr Licht und Informationen kann er empfangen. Großer Sensor = Besseres Bild. In diesem konkreten Beispiel sprechen wir von zwei Sensoren. Meine alte DSLR hat einen Kleinbildsensor (auch Vollformat genannt). Dieser entspricht einem 35-mm-Film Streifen von früher, als man noch Filme in die Kamera gelegt hatte. Die Canon M50 kommt mit einem kleineren Sensor daher, dem CMOS Sensor, was ich zugegebenermaßen unterschätz habe. Ich dachte der technische Fortschritt wird es schon richten und auch CMOS Sensoren sind inzwischen rauscharm.
Möchte man nun wie ich, mittels Adapter, seine Vollformat-Objektive auf dem CMOS Sensor nutzen, wird der Bildausschnitt 1,6fach vergrößert. Und das ist dann doch ganz schön viel. Und zwar so viel, dass es keinen Spaß mehr macht. Das ist so viel, dass man bei 75mm Brennweite aus dem Raum laufen muss um den Oberkörper eines Menschen ablichten zu können.
Es kommt noch härter.
Nutzt man nun noch die 4K Filmaufnahme, kommt man auf einen Cropfaktor auf unfassbare 1,75. Nutzt man den Bildstabilisator, kommt man sogar in den Genuss von 2,2. Bäh! Das macht absolut keinen Spaß.
Vor einigen Jahren legte mich mir das Canon 16-35mm f4 zu. Hauptsächlich für Filmaufnahmen. Nun sollte das Objektiv seine filmische Wiederauferstehung erfahren! Ein wunderbares Ultraweitwinkel Objektiv mit toller Schärfe. An der M50 leider Perlen vor die Säue, weil vom Weitwinkel einfach nichts mehr übriggeblieben war.
Das wäre ja alles noch verschmerzbar gewesen. Nutze ich eben beide Kameras: Die 6D für Fotos, die M50 für Videos und Fotografie unterwegs. Denn gerade unterwegs hat sie dann doch ziemlich viel Spaß gemacht. Doch auch hier zeigten sich im Alltag viele Schwächen in der Bildqualität. Vor allem starkes und hässliches Rauschen bei weniger Licht. Wahrscheinlich bin ich durch meinen Beruf einfach zu sehr verwöhnt.
Und so war der Vorsatz, nicht immer das für sich möglichst Beste haben zu müssen, dahin.
Ich entschied mich die M50 wieder zu verkaufen und verabschiedete mich wieder in die Recherche. Klar war, ich werde bei Canon bleiben. Ein Systemwechsel wäre mir zu aufwändig. Einen weiteren Monat lang tauchte ich in die Welt der Technik hinab. An jeder für mich erschwinglichen Kamera fand ich einen negativen Punkt, der die Kamera aus dem Rennen warf. Kein Kleinbildsensor, keine C-Log Unterstützung, nur 4k 30fps und so weiter. Übrig bliebt am Ende nur die Canon R6. Und ein hoher Preis. Eigentlich war ich nicht bereit so viel Geld für eine neue Kamera auszugeben. Ich überlegte hin und überlegte her, wusste, dass die Kamera, gerade für meinen Einsatzzweck, total übertrieben ist. Aber irgendwie wollte ich keinen Kompromiss mehr eingehen. Nach wirklich sehr vielen Überlegungen, entschied ich mich zu kaufen. Endlich. Die Entscheidung war gefallen. Die Lösung aller Probleme.
Pustekuchen.
Das Teil war und ist einfach überall ausverkauft. Die R6 war nirgends zu bestellen. Kein Fotofachgeschäft in meiner Nähe hatte das Gerät vorrätig. Die R6 + Kit-Objektiv im Bundle gab es hingegen sehr wohl. Natürlich zu einem höheren Preis. Als ich versuchte über eBay Kleinanzeigen eine R6 zu kaufen, stellte ich fest, dass sich viele Leute offensichtlich eine R6 + Kit-Objektiv zugelegt hatten und nun versuchen das Objektiv wieder los zu werden. Das Objektiv gab es zu Hauf, den Kamera Body nicht.
Tage später klapperte ich parallel zu Ebay Kleinanzeigen weitere online Händler ab und wurde tatsächlich fündig. Vor der Bestellung vergewisserte ich mich, ob die Kamera auch wirklich auf Lager war. Sie war es. Ich bestellte per Express und legte noch das EF-EOS R Bajonettadapter dazu, um meine bestehenden EF Objektive nutzen zu können. So. Nun heißt es nur noch einen Tag abwarten.
Die Zeit wollte ich nutzen, um noch einmal auf eBay Kleinanzeigen vorbei zu schauen. Oh, da wurde die R6 verkauft. Knapp 1000 Euro günstiger, nicht älter als einen Monat. Das war doch zu schön, um wahr zu sein. Ich schrieb dem Verkäufer. Wir unterhielten uns knapp drei Tage bis es zum Kaufabschluss kommen sollte. Ich war natürlich misstrauisch bei diesem Preis. Verlangte Adresse und ein Foto der Rechnung. Eine Zahlung per Paypal war nicht möglich. Aber eine Abholung. Ich war natürlich kurz davor die Kamera zu bestellen, da 1000 Euro zu sparen schon eine Ansage ist. Als ich dann einen Termin zur Abholung vereinbaren wollte, hörte ich für 24 Stunden nichts mehr vom Verkäufer. Daraufhin folgte eine Mail von eBay: Achtung! Betrüger! Noch einmal Glück gehabt.
Auch nicht so schlimm, denn eigentlich sollte die bestellte Kamera heute ankommen.
Von wegen.
Im Tracking gab es seit der Bestellung keine Änderung. „Die Sendung wurde DHL elektronisch angekündigt.“ Also nix mit Express. Vielleicht hat die Technik Schluckauf, dachte ich und wartete den Tag noch ab. Es kam keine Sendung an. Am Tag darauf ebenfalls nicht. Okay, Mail an den Verkäufer. Vorher checkte ich noch den Spam Ordner und siehe da:
(…) vielen Dank für Ihre Bestellung.
Wir werden Ihnen die Kamera heute zusenden. Die Kamera kommt in einem Set-Karton. Das Objektiv haben wir entnommen, da momentan keine einzelnen Bodys lieferbar sind.
Sie haben keinen Nachteil dadurch.
Der Steuerring (Bajonettadapter; Anm. d. Verf.) ist leider momentan auch nicht am Lager, ist aber bestellt und wir warten jeden Tag auf Ware. Sobald dieser bei uns eintrifft, werden wir Ihnen diesen unverzüglich nachsenden.
Bei weiteren Fragen stehen wir Ihnen gerne zur Verfügung.
Mit freundlichen Grüssen(…)
Dass die Kamera nun doch nicht wie angegeben vorrätig, sondern nur als Kit-Variante lieferbar ist, lasse ich hier einmal außen vor. Doch was lesen meine Müden Augen? Der Steuerring ist leider momentan auch nicht am Lager.
Das heißt also, ich bekomme verspätet eine Kit-Kamera ohne Objektiv und ohne Bajonettadapter zugesendet? Heißt, ich habe nach all dem Hin- und Her eine nagelneue R6 die ich nicht nutzen kann?
Ganz oder gar nicht.
Ich war super frustriert. Entweder schicke ich die Kamera ungeöffnet zurück oder ich treibe einen Adapter auf. Vorerst entschied ich mir für letzteres. Online war kein Adapter mehr zu bekommen. Nirgendwo. Das wusste ich aus den vergangenen Tagen, denn auch nach diesem habe ich lange gesucht. Also schrieb ich ca. 20 Fotofachgeschäfte in meiner Umgebung an und fragte den Adapter an. Nach einem weiteren Tag erhielt ich alle Antworten mit derselben Antwort: Nicht lieferbar.
Alles klar, ruhig bleiben. Dann eben noch einmal eBay Kleinanzeigen. Und siehe da: Es gab zwei Anbieter, beide in München. Ich tat nun das unsinnigste in dieser ganzen Geschichte. Ich machte am selben Tag noch einen Termin aus, fuhr 2,5 Stunden nach München, holte mir den Adapter und fuhr wieder zurück. Um 21:30 Uhr kam ich zuhause an, um kurze Zeit später müde ins Bett zu fallen.
Finally.
Am darauffolgenden Morgen (gestern) konnte ich mich endlich freuen. Auch wenn das schlechte Gewissen immer noch etwas mitschwang. In aller Ruhe packte ich das Gerät aus und richtete es ein. Ich hatte die Kamera den ganzen Tag dabei und machte ein paar Testbilder und Testvideos. Das Ergebnis seht ihr hier:
Abschluss.
Am Ende ist es dann doch wieder eine größere Kamera geworden. Offensichtlich war ich nicht bereit Abstriche zu machen. Bleibt zu hoffen, dass der ganze Kauf-Stress langsam verfliegt und ich anfangen kann, endlich das zu machen, was ich eigentlich vor zwei Monaten schon machen wollte:
Rausgehen, fotografieren, filmen, Spaß haben. Die richtige Ausrüstung habe ich ja nun.
Hoffentlich.
2 Antworten auf „Der unglaublich umständliche Weg zur Canon R6“
Glückwunsch zur R6, ich bin etwas neidisch. Aber nicht auf den gesamten Verlauf.
Vielen Dank, das kann ich verstehen 😃